|Rezension| „Über ein Mädchen“ von Joanne Horniman



Wenn ein Buch wie ein akustisches Liebeslied klingt, kann der Schreibstil nur poetisch und wunderschön sein – und genau das ist er. Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Es ist anders! Es spricht mit unglaublich leisen und sanften Tönen zu seinem Leser, flüstert seine Worte, haucht sie beinahe. Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Anna geschrieben und beleuchtet daher intensiv ihre Gedanken und ihr Leben, sodass das Buch sehr von dem Innenleben der Protagonistin lebt und verträumt und nachdenklich daherkommt. Gerade das ist es jedoch, was die schöne Atmosphäre des Buches ausmacht, durch die man die Wärme Australiens beinahe zu spüren glaubt – zusammen mit dem zuerst gewöhnungsbedürftigen, aber dann blumigen Schreibstil, der teils sehr indirekt formuliert, ergibt sich ein ganz leises, ruhiges Liebeslied in Form eines Buches, dass nicht nur von Außen eine tolle Figur macht.


Was das Buch nämlich derart einzigartig und besonders macht ist die Selbstverständlichkeit, die sich durch das ganze Buch zieht und oft nur sehr selten zu finden ist. Die Protagonistin erwähnt in ihren inneren Monologen nicht ständig, dass sie homosexuell ist, sondern „denkt“ einfach drauf los, so wie es jeder andere Protagonist in jedem anderen Buch auch gemacht hätte. Ihre Liebe zum gleichen Geschlecht wird auf den ersten Seiten nicht erwähnt, wodurch die Tatsache einfach sehr authentisch und als selbstverständlich hingenommen wird. Doch nicht nur mit der sexuellen Neigung geht die Autorin in einer solch angenehmen Art und Weise um, auch die Sexualität selbst steht im Mittelpunkt ihres Werkes, wird aber absolut diskret behandelt und so, dass man trotz weniger Beschreibungen immer weiß, was gerade zwischen den Protagonistinnen geschieht. Diese Ruhe und Gelassanheit im Bezug zu den jeweiligen Themen, hat die Herangehensweise einfach ungemein vereinfacht und mich völlig unvoreingenommen lesen lassen.
Wie auch schon der Schreibstil und die Geschichte insgesamt, sind auch die Protagonistinnen als ruhige und nachdenkliche Personen anzusehen, die mit leisen Tönen zu punkten wissen. Anna ist sehr schüchtern und zweifelt oft an sich und ihre Neigung. Man merkt, dass sie sich noch nicht selbst gefunden oder akzeptiert hat und trotzdem ist sie eine eigenständige und sympathische Persönlichkeit, die einem schnell ans Herz wächst und im Laufe der Geschichte viel reflektiert und sich dementsprechend entwickelt. Flynn hingegen ist eigenwillig, spontan und aufgedreht, verbirgt aber merklich ein großes Geheimnis und scheint gerade wegen ihrer Eigenwilligkeit auch noch nicht zu wissen, wo sie eigentlich hingehört. Durch ihre geheimnisvolle Art wirkt sie oft sehr distanziert, was dafür sorgt, dass man sie kaum durchschaut und keinen richtigen Bezug zu ihr aufbauen kann. Insgesamt blieben die Figuren nämlich trotz allem ein wenig blass, was an der geringen Seitenzahl des Buches liegen könnte. Es wirkte teils so, als würde die Autorin versuchen, viel Inhalt auf wenige Seiten zu quetschen, was leider nicht immer ganz geglückt ist.
hauptsächlich um Annas sexuelle Einstellung, sondern viel mehr um ihr Leben und wie sie damit fertig wird bzw. es meistert. Es geht um Selbstfindung, Familie, Trennung und Verlust und gerade durch die bereits genannte Selbstverständlichkeit wird dem Leser verdeutlicht, dass Personen mit einer anderen sexuellen Neigung ebenfalls ganz normale Menschen mit Höhen und Tiefen und denselben Problemen sind. Das Leben wird ihnen zusätzlich oft unnötigerweise schwerer gemacht, als es sein könnte, was man gut an Anna sehen kann, die zwar zu ihrer Neigung steht, aber dennoch Angst davor hat und oft an sich zweifelt. Gerade weil das Buch so viele Themen beinhaltet und in die Tiefe geht, habe ich mir noch mehr davon erhofft – mehr Seiten, noch mehr Inhalt -, aber leider endet das Buch viel zu schnell mit einem realistischen, aber dennoch unbefriedigendem Ende.



Joanne Horniman hat als Lektorin, Lehrerin und Künstlerin gearbeitet
und schreibt, seit sie sechs Jahre alt ist. Sie hat zahlreiche Bücher
für Kinder und Jugendliche veröffentlicht und wurde bereits mit mehreren
Preisen ausgezeichnet. Mit ihrem Mann, einer Katze namens Tom und
vielen Hühnern und Enten bewohnt sie ein Haus mit Werkstatt und großem
Gemüsegarten in der Nähe von Lismore im Südwesten Australiens. [via Carlsen]
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Eure Wortmalereien (4)
Fabella
13. Juni 2013 at 7:47
Das ist eine tolle Rezension, auch wenn sie meine Meinung gar nicht trifft. Dennoch fand ich, dass man Dir anhört, dass Dir das Buch super gut gefallen hat.
Das poetische, ja das ist genau das, was mir das Buch so verübelt hat glaube ich. Und auch wenn ich Dir recht gebe, dass es absolut ok ist, über gleichgeschlechtliche Liebe zu schreiben, finde ich, man sollte so fair sein und den Leser selbst entscheiden lassen, ob er es lesen mag oder nicht. Auch wenn das hier in dem Buch nicht das eigentliche Thema ist, ärgert mich so ein Überfall dennoch. Denn das Buch, bzw. die Inhaltsbeschreibung gaukelt einem etwas anderes vor. Allerdings hätte mir das Buch auch bei einer Liebe zwischen Mann und Frau nicht besser gefallen 🙂
Paperdreams
13. Juni 2013 at 12:13
Danke 🙂 Auch wenn sie deine Meinung nicht trifft, finde ich es schön, dass du was dazu sagst! Ist immer toll sich darüber auszutauschen, auch wenn das Buch bei anderen nicht so gut wegkommt.
Ich weiß auch, was du meinst! Es ist schade, dass im Klappentext kein Ton darüber verloren wird, andererseits finde ich es auch schön, ein Buch zu lesen über das man gar nichts weiß, weil man sich dann mehr darauf einlassen kann.
Seitenakrobatin
12. Juni 2013 at 23:14
Hi!
Vielleicht lebe ich hinter dem Mond, denn ich habe noch kein Buch gesehen, das sich mit dem Thema so ausführlich und normal beschäftigt, wie du es beschreibst.
Klingt nach einer netten Abwechslung =)
LG Silke
Paperdreams
13. Juni 2013 at 12:11
Ich hatte vorher auch noch kein Buch gelesen, dass so normal über so ein Thema schreibt 🙂 Also, wenn, leben wir beide hinter dem Mond 😀