
Into the Water – Traue keinem. Auch nicht dir selbst. von Paula Hawkins
Nach dem Tod ihrer Schwester Nel kehrt Julia Abbott in den Ort ihrer Kindheit zurück, an den sie eigentlich niemals zurückkehren wollte: Beckford. Voller Angst vor den vielen Erinnerungen und dem Fluss, der den Ort umgibt, versucht Julia herauszufinden, wie Nel gestorben ist – denn obwohl jeder behauptet, sie sei gesprungen, ist sich Julia sicher, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Schließlich hat Nel wenige Tage vor ihrem Tod versucht, Julia zu erreichen – und dann ist da noch der Drowing Pool, der schon so mancher unbequemen Frau in Beckford zum Verhängnis wurde…
Stille Wasser sind tief. Dieses Sprichwort mag im Bezug auf die offensichtliche Wasserbezogenheit von „Into the Water“ stumpf wirken, doch in vielerlei Hinsicht scheinen diese Worte zum Buch zu gehören. Auf so vielen Ebenen wirkt die Geschichte um Beckford und seine unbequemen Frauen wie eine stille Wasserfläche, die sich hier und da leicht kräuselt, doch darunter brodelt die Vergangenheit wie kochendes Wasser – inhaltlich, charaktertechnisch, ja, sogar sprachlich. Durch diese unterschwellige, aber doch deutlich wahrnehmbare Spannung, die sich durch das komplette Buch zieht, begleitet den Leser stets eine unheimlich dichte Atmosphäre, die man beinahe zu spüren glaubt. Hinzu kommt die polyperspektivische Struktur, die nicht nur einen vielfältigen Blick auf eine komplexe Geschichte erlaubt, sondern auch zu einem reichhaltigen und vielschichtigen Plotkonstrukt führt. Still und heimlich sieht man sich schließlich von dieser Geschichte von allen Seiten umgeben und verfällt der ruhigen, aber doch intensiven Atmosphäre, ohne dass man es wirklich merkt.
Die beinahe unzähligen Figuren sind allesamt schwierig und komplex und durch die schiere Anzahl fällt es schwer, sich als Leser auf eine von ihnen zu konzentrieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass alle von ihnen sehr viele Ecken und Kanten haben – ein richtiger Sympathieträger ist daher nicht unbedingt dabei. Diese Gegebenheit macht das Buch jedoch einmal mehr interessant und bringt viel Dynamik mit sich. Besonders die verschiedenen Beziehungen und Figurenkonstellationen sind geschickt eingebunden und spannend kontruiert.
„Into the Water“ ist ein polyperspektivisches Puzzlespiel, bei dem man, von der unterschwelligen und stets konstanten Spannung getrieben, immer tiefer in einen Sog gezogen wird, dem man kaum entkommen kann. Stille Wasser sind tief, heißt es, und wenn dieses Sprichwort auf ein einziges Buch zutrifft, dann muss es „Into the Water“ von Paula Hawkins sein. Eine klare Leseempfehlung für alle, die gerne ruhige und psychologische Thriller lesen, in denen es vornehmlich um die Figuren und deren Vergangenheit geht.
Eure Wortmalereien (1)
Sandy
14. Juni 2017 at 7:29
Liebe Marie,deine Buchbesprechung liest sich ja schon spannend. Das Buch werde ich demnächst auch in Angriff nehmen und bin sehr gespannt.Das Debüt der Autorin fand ich durchwachsen bis gut. Und über "Into the Water" scheiden sich ja wieder die Geister, was ich aber umso spannender finde. Deine Meinung macht mich jetzt wieder ein Stück neugieriger. ;o)Grüße dich lieb,Sandy